Es war einmal ein König,
der lebte sehr glücklich mit seiner schönen,tugendsamen
Gemahlin;
ein einziges Söhnlein war ihnen vom Himmel
geschenkt,
und dieses war die Lust der Eltern.
Doch nicht nur in des Königs hoher Familie
war es so friedsam,
sondern in seinem ganzen Lande;
überall, auch in dem kleinsten Dörflein
war Verdienst und Wohlstand,
und das Volk war zufrieden und freundlich.
Einer weisen, milden Regierung entblüht
Ordnung;
Ordnung aber bringt Wohlstand Wohlstand Zufriedenheit,
Freundlichkeit.
Der gute König mußte jedoch ein
gar herbes Schicksal erfahren;
seine liebe Gemahlin starb und ließ
ihn einsam zurück,
mit dem nun mutterlosen Prinzen.
Tief trauerte der König und das ganze
Land mit ihm.
Auch das kleine fromme Kindesherz des Prinzen
war sehr betrübt,
denn es hatte mit aller kindlichen Liebe an
seiner Mutter gehangen.
Auf dem Sterbebette hatte sie ihn gesegnet,
und ihn noch scheidend zu allem Guten ermahnt,
zum treuen Glauben an Gott,
zur Liebe und Milde gegen alle Menschen.
"Und wenn du ein Jüngling worden bist",
waren ihre letzten Worte,
"so wähle dir nur ein Mägdlein frommen,
guten Herzens zu deiner Gemahlin,
und ehre das Andenken deiner Mutter und ihrer
letzten Worte".
Dieses hatte einen tiefen Eindruck in
das weiche Herz des Knaben gemacht,
immerdar gedachte der Prinz seiner sterbenden
Mutter,
und es kam ihm oft vor, als umschwebe sie
ihn und lächle ihm selig zu.
So wuchs der Prinz in frommer Sitte empor
und wurde ein schöner, blühender
Jüngling.
Doch das königliche Vaterauge war verblendet
worden
von einer fürstlichen, listigen Dame,
die den Herrscher gar bald mit ihren erkünstelten
Reizen
also schlau zu fesseln wußte,
daß er ihr nachgab und sie ihn völlig
beherrschte.
Bald fand das glänzende Hochzeitgelag
statt.
Der bejahrte König, sonst so gut und
milde,
war zum alten Toren geworden
und hatte sein Leben an ein listiges, böses
Schlangenherz gekettet;
nur zu bald mußte er die bittere Frucht
seiner Torheit kosten
das böse Weib stiftete allenthalben Unheil
an,
erregte den Vater wider den Sohn,
den Sohn wider den Vater und die Herrschaft
wider die Diener,
und übte ihre frevle Verblendungskunst
immer fort,
so daß sie die Herzen alter und junger
Männer für sich entflammte.
Eine kurze Zeit, und das reuevolle Leben des
Königs hatte geendet.
Der Prinz wurde König und beherrschte
das Volk mit der Klugheit und Milde,
die überall zum wahren Wohle des Landes
dient.
Aber an ihm übte die arge Stiefmutter
ihre Künste vergebens,
er verachtete sie im stillen
und suchte sich immer in heilsamer Entfernung
von ihr zu halten.
Da wünschte das Land, daß der jugendliche
König sich vermähle;
auch er in seinem Innern trug das stille Verlangen,
sein Glück mit einem würdigen Frauenbilde
zu teilen,
aber nicht Stand und Reichtum oder eine Krone
sollten diejenige schmücken,
die er sich wählen wollte, sondern ein
gutes, frommes Herz,
wie es seine sterbende Mutter gewünscht.
Und ein solches hatte er gefunden,
zwar nur das eines armen, schlichten Gärtnermädchens,
das aber voll war von reiner Liebe und frommem
Glauben.
Diese Jungfrau war dem Königssohn bald
so innig befreundet,
daß der Jüngling ihr zu Füßen
sank und ihr ewige Liebe und Treue schwur.
Zärtlich und in Tränen schmiegte
sich das liebliche Mädchen
an die Brust des Jünglings und lispelte:
"Ach, du darfst mich ja nicht zur Gemahlin
nehmen,
siehe ich bin ja arm, bin keine Prinzessin."
"Sei ruhig, lieb Herz", sprach der Jüngling,
"du sollst meine Gemahlin, meine Königin
werden, du und keine andere."
Der Wunsch nach der Vermählung des Königs
wurde lauter und dringender;
von allen Seiten her begannen die Väter
fürstlicher Töchter dem Könige
Vorschläge zu machen.
Die böse Stiefmutter wähnte den
so jungen König gänzlich unter ihrer Herrschaft,
daß sie sich anmaßte, eine Gemahlin
für ihn zu wählen.
Sie ordnete glänzende Festlichkeiten
an,
wozu viele Prinzessinnen geladen waren,
die reich geschmückt und voll Hoffnung
zur Schau kamen.
Acht Tage hatten die Feste schon gewährt,
und der König hatte noch keine Prinzessin
zur Braut erwählt
und hatte auch alle Vorschläge seiner
Stiefmutter unbeachtet gelassen.
Am neunten und letzten Festtag sollte sich's
entscheiden,
so hatte der König selbst verheißen.
Die Stiefmutter glaubte voll Zuversicht,
daß der König in ihre Wahl eingehen
werde,
denn sie hatte eine hohe Prinzessin, zwar
häßlich von Gesicht und Gestalt,
aber unsäglich reich an Gut und Geld
für ihn auserwählt.
Ein glänzender Ball sollte die Feste
beschließen,
und diesmal waren alle Prinzessinnen doppelt
mit Juwelen und Schmuck beladen,
da eine jede glaubte, den Sieg davonzutragen.
Doch wie alle in gespanntester Erwartung dem
König entgegen harrten,
tat sich die Flügeltüre auf,
und der König trat lächelnd mit
seinem lieblichen Gärtnermädchen herein,
die so sittig und bescheiden in einem weißen
Kleidchen
und völlig ohne Schmuck erschien.
Da sprühten manche Augen im Kreise der
Prinzessinnen voll Arger und Wut,
doch die der Stiefmutter rollten am wildesten
und schleuderten grimmige Blitze nach dem
glücklichen Liebespaar.
Jetzt nahten sich diese beiden der königlichen
Stiefmutter,
die in der Mitte des Saales,
von boshaft lächelnden Prinzessinnen
umgeben,weilte;
und der König sprach mild und freundlich:
"Hohe, verehrte Mutter, hier bringe ich Euch
meine liebe, fromme Braut
und bitte mit ihr um Euren Segen."
Aber die Dame sprach voll Zorn und Wut:
"König, solltet Ihr also Eurer Ehre vergessen
und eine gemeine Dirne freien?
O schämet Euch, mich so tief zu kränken
und um meinen Segen für eine schlechte
Magd zu bitten."
Und sie wandte ihm den Rücken
und schritt voll Grimm und Bosheit einem Nebengemach
zu.
Aber der König folgte ihr nach und sprach
mit einem strengen, drohenden Ernst:
"Weib, das Wort soll Euch schwer wiegen.
Wahrlich, ich will Euch zeigen,
daß dieses arme Mädchen würdiger
ist, Königin zu heißen,
als Ihr und alle eitlen Prinzessinnen.
Eine Kunst habe ich einstmals von einem alten
Einsiedler erlernt:
die Menschen zu verzaubern, ihre Herzen zu
prüfen,
ob sie gut oder böse sind.
Schwört, hohe Frau,
mir dann die schönste zu wählen,
wenn alle hier anwesenden Jungfrauen verzaubert,
in Gestalt einer Blume,
stehen, so will ich Euch gehorsam sein.
Aber trifft Eure Wahl dann mein armes Gärtnermädchen,
so falle der Zauber auf Euch,
daß Ihr ewig darinnen verstrickt bleibet.
Der König schwieg;
und die stolze Dame grinste voll Zuversicht
ob ihres Sieges.
"Ach mein hoher Künstler,"
entgegnete sie,
"verzaubert immerhin alle anwesenden Jungfrauen,
ich will Euch die schönste wählen
und bin gewiß,
daß ich nicht Eurer Drohung teilhaftig
werde.
Euere seltsame Laune soll mir ein ergötzlicher
Scherz sein".
Und sie ließ sich auf einem samtenen
Sessel nieder
und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Da breitete der königliche Jüngling
ein großes weißes Tuch aus,
führte schweigend eine Prinzessin um
die andere in das Nebengemach
und verhüllte sie damit, wo sie alle
sobald einschlummerten.
Dann schnitt er einer jeglichen das Herz aus.
zuletzt auch seinem lieben Gärtnermädchen.
Der Ballsaal verwandelte sich in eine grünende
Gartenflur,
von einem goldenen Zaun umschlossen,
von singenden Vögeln durchflattert.
Da vergrub der Jüngling die Herzen und
sprach bei einem jeglichen:
"Blühe, blühe, blühe aus der
Erde auf! Bist du rein, Wirst du hold gedeihn.
Aber treibe wilde Dornen, Wenn du bös
wirst sein"
Bald keimten und sprossen Zweiglein und Blättlein
empor.
Wilde Dornsträuche wuchsen rasch aus
der Erde;
nur hie und da erschloß sich eine farbige
Blüte.
Aber in des Gartens Mitte stand ein Blütenstengel
dessen zartem Kelch entfaltete sich eine herrliche
Rose,
eine
Rosenkönigin.
Glänzender Tau träufte auf sie nieder,
und das grüne Laub schmiegte sich zärtlich
an die Blüten.
Jetzt kam eine Schar Nachtigallen geflogen,
die die Rosenkönigin umkreiseten und
sangen:
"Holde Rose, holde Rose, Hehre Blumenkönigin!
Du die schönste unter allen,
Du die reinste unter allen,
sollst die ganze Welt bezwingen
Mit der frommen Liebe Sinn.
Hehre Rosenkönigin!"
Aber um die Dornensträuche flogen schwarze
Raben und krächzten auch ihr Lied.
"Wilde Dornen, wilde Dornen,
schwarz wie unser Nachtgewand.
Sollt am besten uns gefallen mit den tausendfachen
Krallen.
Sollet dienen in der Höllen, In der ewgen
Pein, zum Brand.
Schwarze Dornen, Nachtgewand."
Da führte der König die stolze Dame
herein in den Garten,
auf daß sie die schönste der Blüten
für ihn wähle,
und als sie die zauberschöne Rose sah
und die Nachtigallen singen hörte,
die über ihr im Kreise flatterten,
als sie das liebliche Liedlein vernahm -
da stand sie beschämt
und war von der Rose zaubervoller Macht ergriffen
und gerührt,
ihr war, als fühle sie eine warme Liebe,
und sie gedachte in diesem Augenblick reuevoll
an ihre verübten Bosheiten und Ränke.
Und als sie nun die Dornensträuche sah,
darüber die schwarzen Raben ein Höhenlied
krächzten,
da überlief sie eine Angst, ein Todesgrauen;
und sie sprach:
"Mein Königssohn, ich muß Euch die
holde Rose wählen,
sie ist die Schönste."
Nun bewegten sich alsbald der Rose
Zweige und Blätter und Blüten
und verschmolzen sanft zum Körper eines
lieblichen Mädchens,
das keine andere war als das fromme Gärtnermädchen.
Und es schien noch schöner und bescheidener
als zuvor.
Aus den anderen Blumen und Dornensträuchen
bildeten sich wieder Prinzessinnen,
die wie aus einem schweren Traum erwachten.
Aber des Königs Stiefmutter war vor Scham
und Reue
niedergesunken und lag in Betäubung.
Und die schwarzen Rabenvögel hackten
ihr das Herz aus,
und sie wurde zu Stein, von wilden Dornen
umstarrt.
Die Prinzessinnen eilten scheu davon,
wurden aber besser und demütiger in ihren
Herzen.
Und der König lebte glücklich und
fromm mit seiner Gemahlin,
dem Gärtnermädchen,
und des Himmels Segen war mit ihnen.
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