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"Gartenlaube" 1857 Auszug - Die Rose - von L. W-t
Es hat einen eigenthümlichen Reiz, beim Nahen des Frühlings
an die Rosen zu denken. Mag Kälte und rauhe Witterung sie noch in
Haft halten, um so inniger blicken wir im Voraus auf die Zeit, wo der wachsende
Sonnenstrahl ihre Banden lösen und sie zur Freiheit führen wird
in unsere Gärten.
So wollen wir denn auch, indem wir nur erst hinter den erwärmten
Fensterscheiben die Rose blühen sehen, uns doch schon an die Gartenplätze
versetzen, wo wir nach einigen Monaten unsere Lieblinge wiederfinden und
an ihrer Gestalt, an ihrer Farbe, an ihrem Duft uns erfreuen werden. Niemand
ist davon ausgeschlossen. Hat er nicht einen stattlichen Garten, so besitzt
er doch wohl ein kleines Plätzchen, wo er die Rose pflegte, oder es
ist ihm der Zutritt vergönnt in die Räume, in welchen sie blüht.
Und ist sie nicht auch erfreuend in ihrer Einfachheit, wenn wir sie finden
am Feldrain oder am Waldrande, am Bergeshange oder auf felsigem Vorsprunge
?
Fast allgemein verbreitet ist die Rose über die ganze Oberfläche
der Erde. Nicht allein über ganz Europa, auch über die Länder
Asien´ s, Afrika´ s, und Amerika´ s dehnt sie sich in
ihrer natürlichen wilden Form und Einfachheit aus. Nur Australien
hat keine Rose im natürlichen Zustande, und auch in der Nähe
des Aequaotors wurde bis jetzt keine wilde Rose gefunden.
Wann die wilde Rose zuerst eine Bewohnerin des cultivirten Bodens
ward ? Warum die Menschenhand zuerst sie pflegte und veredelte ? Schon
2000 Jahre vor Christi Geburt bestanden die berühmten Gärten
Babylons, - möglich, ja wahrscheinlich, daß in ihnen auch die
Rose duftete, da ja Persien, im Alterthum schon bekannt durch seine Rosen,
das Nachbarland war.
Ob die Bibel, das älteste Buch der Welt, für das Alter
der Rose Etwas beweisen könnte? Wohl steht in ihr geschrieben: "lasset
uns Kränze tragen von jungen Rosen, ehe sie verwelken," - "gehorchet
mir, und wachset wie die Rose am Bächlein gepflanzt." Ebenso finden
wir erwähnt die "Rose von Saron," die "Rose von Jericho." Aber war
diese Rose die Rose des heutigen Tages ? Wenigstens die "Rose von Jericho"
ist es nicht, sie hat mit der unsern fast keine Aehnlichkeit.
Homer, der älteste classische Dichter (ob er im zehnten, neunten
oder achten Jahrhundert vor Christi Geburt lebte, ist noch nicht ausgemacht)
brauchte die Rose bildlich in seinen Dichtungen. Sappho(600 Jahre vor Christus)
nannte die Rose "die Königin der Blumen."
So alt ist diese, auch bei uns noch gebräuchliche, Benennung.
Aber Vieles ging für uns verloren von den schönen Gebräuchen,
mit denen man sonst die Rose auszeichnete und ehrte. Griechen und Römer
schmückten sich mit Blumen bei ihren Festen, bei ihren Mahlzeiten,
bei ihren Opfern, und die Rose stand da immer obenan. Der Venus, dem Amor,
der Aurora war sie geweiht, ebenso dem Harpokrates, dem Gott der Verschwiegenheit.
Durch letzteren Umstand wurde wahrscheinlich auch im nördlichen
Europa der Gebrauch eingeführt, daß bei gesellschaftlichen und
anderen Versammlungen eine Rose an der Decke hing, - zum Zeichen, daß
Jeder zu schweigen habe über Alles, was hier gesprochen wurde und
vorging. - Größtentheils wat es die weiße Rose,
die man zu diesem Gebrauche verwendete.
Einfache, ehrwürdige Menschen, ihr gehet still vorüber
an unserem Auge noch heute ! Keinen Handschlag, keinen Eid, keine Verschwiegenheit.
So lange die weiße Rose über euren Häuptern schwebte, galt
euch jedes Geheimnis als unverletzlich. Mochten es ernste Berathungen sein
über das Wohl des Vaterlandes, oder mochte der Weinbecher kreisen
in Lust und Freude: das geschenkte Vertrauen wurde unter der aufgesteckten
Rose nicht verletzt.
Auf uns ist nur das Wort noch gekommen : "Freund, ich vertraue ihnen
sub rosa." Wie es damit steht, weiß Jeder, - es wird leicht hingenommen,
in den Wind geschlagen, als halbe Erlaubnis geachtet, daß man das
Anvertraute allenfalls gegen Diesen und Jenen ausplaudern dürfte.
Nannte die Dichterin Sappho die Rose "die Königin der Blumen,"
so fehlte es auch nicht an anderen griechischen Dichtern, welche die Rose
ehrten durch Wort und Lied. Vorzüglich that dies der heitere Dichter
Anakreaon, (lebte 530 Jahre vor Christo) welcher in seiner 51. Ode sagt:
Nebst dem kranzgeschmückten Lenze
Sing´ ich dich, o holde Rose.
Auf, Geliebte, hilf mir singen !
usw., usw.
Aber nicht nur die Griechen, auch die Römer stellten die Rose
hoch in Wort und Lied. Häufig erwähnt Virgil sie in seinen
Werken, so im Anfang des fünften Hirtengedichts, wo er die blasse
N a r d e der errötenten Rose gegenüberstellt.
An anderm Orte rühmt er die Rosen von Pästum, wo dieselben auch
im Herbst noch blühten, - obgleich Botaniker, welche Pästum besuchten,
dies nicht so fanden. - Auch Cicero, Ovid, Martial, Plinius, Horaz sprechen
von Rosen, - und war der Verkauf von Blumen überhaupt, so war besonders
auch der Verkauf von Rosen in die Hände der schönsten Mädchen
gelegt und mehrere Namen dieser Mädchen wurden durch die Gedichte
der Sänger unsterblich.
Einige Schriftsteller behaupten, die Römer hätten ihren
Geschmack an dieser Blume den Egyptern verdankt. Diese nämlich sendeten
während der ersten Jahrhunderte der Republik alljährlich bedeutende
Massen dieser Blume nach Rom. Zum Uebermaß wurde hier die Liebe zur
Rose unter der Regierung des Augustus und der nachfolgenden Kaiser.
Auf Rosenblätter nahmen die Römer ihre Mahlzeiten ein, streuten
sie auf Lager und Fußboden ihrer Gastzimmer, und Suetonius erzählt
vom Kaiser N e r o , daß derselbe vier Millionen Sesterzen (nach
unserm Geld mehr als 200,000 Thaler) verwendet habe, um für e i n
Fest den Rosenbedarf zu beschaffen.
Nach dem Falle des römischen Reiches fiel bekanntlich auch
die Welt in Barbarei, und man bekümmerte sich weder um Rosen, noch
um andere Blumen. Als aber die verwüstenden Kriege aufhörten,
als die Segnungen des Friedens Gewerbe- und Ackerbau hoben, da hob sich
auch wiederum der Gartenbau und mit ihm die Blumencultur. Karl der Große,
im Anfang des neunten Jahrhunderts, bezeugt seine Vorliebe für die
Rose. Er verlangt, daß sie in seinem Garten gezogen werde. Wie bezeichnend
ist das für den Mann, der ein Reich erbaute groß und herrlich,
Städte gründete und Dome schuf, - wie bezeichnend für das
tiefe, sinnige Gemüth des Gewaltigen, Tapferen, Siegreichen ! -
Auch in Italien kam sie dann wieder zur Bedeutung, und einige Jahrhunderte
lang war es Gebrauch, daß der Papst eine goldne Rose weihte und sie
dem Monarchen eines Staates als Zeichen seines besonderen Wohlwollens zusendete.
Ebenso wird in Persien und im ganzen Orient die Rose hoch geehrt.
Hier tritt neben der poetischen Stellung, welche ihr die Dichter - gewöhnlich
in Verbindung mit der Nachtigall - anweisen, die schöne Blume zugleich
in das praktische Leben des Handels und Verkehrs. Die Rose nämlich
wird in großen Mengen gezogen des Rosenwassers wegen.
Ansprechend ist die Sitte, durch welche man die Rose in vielen Gegenden
Ungarns ehrt. Vornehme Damen nämlich gehen mit edlen Rosenreisern
in den Wald oder auf ihre einsamen Spazierplätze und oculiren da die
wilden Sträucher.
In Holland stand die Tulpe und Hyacinthe stets höher als die
Rose. Und doch darf man nicht unerwähnt lassen, daß gerade die
schönste aller Rosen, die Moosrose , aus diesem Lande zuerst nach
England eingeführt wurde.
In Frankreich genoß die Rose allezeit ein hohes Ansehen. An
und für sich schon ist dieses Land reich an dieser Blume, und es kommen
in ihm nicht weniger als neunzehn Species wildwachsend vor. Unter ihnen
ist die Rosa gallica die hauptsächlichste. Auch in Frankreich wird
die Blume in Massen gezogen, um Rosenwasser zu bereiten. An Dichtern aber,
die die Rose zum Gegenstande ihrer Lieder machten, fehlte es hier ebenfalls
nicht, und wir erwähnten in dieser Beziehung nur Bernhard, Malesherbe,
Saint Victor, Roger
Bei der Rosencultur Frankreichs gedenken wir noch Einiger der berühmten
Rosenzüchter, und nennen besonders Vibert und Laffay. Der Erstere
gründete im Jahre 1815 sein Etablissement in der Nähe von Paris
und wendete sich einige Jahre später nach Angers, wo das Klima für
die Rosenzucht günstiger ist. Wir unterlassen hier, die Sorten zu
nennen, welche durch Herrn Vibert in´s Leben traten. Nicht minder
glücklich ist in der Rosenzucht Laffay gewesen. Sein Wohnsitz ist
zu Bellevue, einige Meilen von Paris. Hier lebt er, umgeben von Rosen und
Kastanienbäumen, in seinem Garten, welcher eine weite, herrliche Aussicht
gewährt. Sowohl Vibert als Laffay sind durch Cultur der Rosen sehr
reich geworden. Seit 1850 übergab Vibert sein Etablissement an seinen
ersten Gehülfen Robert. Viele, zum Theil sehr schöne Sorten,
namentlich Moosrosen, wurden von Robert in den Handel gebracht und waren
jedenfalls noch Pfleglinge des früheren Besitzers dieses Etablissements.
Laffay bewohnt noch sein schönes Grundstück Bellevue und hat
die Rosenwelt mit bewundernswerthen neuen Sorten bereichert, - besonders
mit neuen Moosrosen. Uebrigens müssen wir noch der Rosen im Jardin
du Luxembourg zu Paris gedenken, - unstreitig die schönste Rosensammlung
in Frankreich, aus welcher aber keine oder nur wenige in den Handel kommen.
Auch England hat für diesen Culturzweig große Etablissements,
und die Zahl der Rosenliebhaber Englands ist gegenwärtig so überaus
groß, daß das Verzeichnis sehr stark werden müßte,
wenn wir auch nur Diejenigen anführen wollten, welche vorzügliche
Sammlungen besitzen. Besonders seit dem Jahre 1829 erhob sich die
Rosencultur in England sehr hoch. Im genannten Jahre nämlich erschienen
in Frankreich Kataloge, welche schon über 2000 Varietäten beschrieben.
Das reizte die Engländer zur Nacheiferung und der Erfolg davon ist
bewundernswerth. Daß die Rose in früherer Zeit in England schon
eine Rolle spielte, ist bekannt aus den Kriegen der Häuser York und
Lancaster - dem "Kriege der Rosen" - Von Dichtern wurde diese Blume auch
hier gepriesen und dasselbe war der Fall auch in Deutschland. Wohl hunderttausend
gute und schlechte Gedichte, dargebracht der Königin der Blumen, besitzen
wir. Hinsichtlich der Cultur der Rose müssen wir ebenfalls Einiges
erwähnen, was in Deutschland der Beachtung verdient. Früher waren
die Sammlungen zu Cassel berühmt, jetzt wird im Park bei Coburg´die
Rose großartig gepflanzt und gezogen und im wahren Sinne des Wortes
heißt dieser Park "Rosenau." Ein Gleiches gilt von der Pfaueninsel
bei Potsdam, wo der König Friedrich Wilhelm III. ein großes
Rosarium anlegen ließ. Mit Liebe und Sorgfalt nimmt sich hier der
Hofgärtner Fintelmann der Rosenpflege an. Auch Düsseldorf war
berühmt seiner Rosensammlung wegen, und gegenwärtig findet man
in den Gärten der Herren Deppe zu Witzleben bei Charlottenburg, und
bei Herrn Herger zu Köstritz (berühmt auch wegen seine Georginen)
reiche, großartige Sammlungen, aus welchen der Verkauf schöner
Sorten sich über ganz Deutschland erstreckt.
Um noch einmal zurückzukommen auf die Dichter aller Nationen,
welche die Rose besungen haben, so müssen wir sagen, das gerade ein
Deutscher die Rose verherrlicht hat wie sonst Keiner. Ernst Schulze war´s
in seiner "bezauberten Rose" und wir können gegenwärtigen Artikel
nicht schöner schließen, als wenn wir aus dieser reichen, romantischen
Dichtung einige Strophen wiederklingen lassen.
Ernst Schulze (1789-1817)
Bezauberte Rose
Und horch, er singt, wie leis´ aus tiefen Keimen
In sichrer Nacht der Rose Kelch sich webt,
Und dicht umhegt von grünen Blättersäumen
Vom frischen Quell der künft´gen Düfte lebt,
Und wenn auch schon in ihren engen Räumen
Die reiche Form sich üppig drängt und hebt,
Doch still der Geist, von Lust und Leid geschieden,
Noch schlimmer ruht in unbewußtem Frieden
Doch wenn der Lenz mit seinem Wehn und Wallen,
Mit seiner Lust durch Erd´ und Himmel dringt
Wenn weit umher das Lied der Nachtigallen,
Der Biene Flug, der Quelle Rieseln klingt,
Wenn Blüthen rings entkeimen, blühn und fallen,
Und jede Nacht den reichen Schmuck verjüngt,
Dann fühl auch sie in ihrer dichten Hülle
Der Hoffnung Lust, des Lebens sel´ge Fülle.
Und wenn gemach die Hüllen sich entfalten
Und sich mit Gold des Busens Tiefe füllt,
Blickt heller stets durch seines Kerkers Spalten
Mit frischer Lust das hold verschämte Bild,
Und freut sich still der wechselnden Gestalten,
Die bunt umher die neue Welt enthüllt.
Ihr frühster Duft, des Athems erstes Weben
Ist Liebe schon, und wähnt, er sei nur Leben.
Und freier jetzt vom hellen Licht umwaltet,
Und inniger durchströmt vom blauen Wehn,
Läßt reicher stets und üppiger entfaltet
Der volle Kelch die irren Tiefen sehn.
So scheint, weil stets ihr Glanz sich neu gestaltet,
Uns aus der Lieb´ erst Liebe zu entstehn ;
Denn wandelbar mit ewig bunter Welle
Rinnt unversiegt des Lebens heil´ge Quelle.
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