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Kerkhoff, Winfried
Die goldene Rose
Es lebte in einem Land ein König, der allein war und drei Söhne
hatte. Als diese ins heiratsfähige Alter kamen, sagte der älteste
zu seinem Vater: „Ich will in die Welt ziehen und mir eine Frau suchen.
Irgendwo in einem Königreich der Nachbarschaft wird sicher eine reiche
Prinzessin auf mich warten.“ Der Vater sagte ihm, er könne mitnehmen,
was er wolle. So suchte sich der Sohn Diener aus, belud die Pferde mit
Gold und Edelsteinen und zog fort. Bald erreichte er das Nachbarreich und
tatsächlich suchte der König für seine Tochter einen Ehemann.
Um den richtigen Prinzen zu finden, hatte sich die Prinzessin folgende
Aufgabe ausgedacht: Wer mir die schönste Rose bringt, der soll mein
Prinzgemahl werden.
Der
junge Königssohn ging also, ohne lange zu überlegen, in dem Nachbarreich
zu einem Goldschmied und gab ihm den Auftrag, aus all dem Gold und den
Edelsteinen, die er mitgebracht hatte, die wertvollste Rose zu gestalten,
die man sich denken konnte. Der Kunstmeister machte sein Werk hervorragend.
Der Prinz war sehr zufrieden und meldete sich bei Hof, denn er glaubte
eine schönere Rose als die, die er hatte anfertigen lassen, würde
es nicht geben. Die Prinzessin empfing ihn, nahm die Rose in Empfang, bedankte
sich und stellte sie zu den vielen Rosen, die die anderen Freier ihr geschenkt
hatten. Alle Blumen waren schön anzusehen, wie sie da standen aus
puren Gold und besetzt mit Edelsteinen. Welche von diesen Rosen war nun
die schönste? Die Prinzessin konnte sich nicht entscheiden, weder
ihr Verstand noch ihr Herz wurden angerührt. Der Prinz war sich nicht
sicher, ob seine Rose wohl die schönste war. So zog er wieder zu seinem
Vater zurück. Zu Hause erzählte er von der wunderschönen
Prinzessin, die unschlüssig war.
Da
bat der zweite Sohn, dorthin reisen zu dürfen, um sein Glück
zu versuchen. Der Vater ließ ihn gehen, und auch er durfte mitnehmen,
was er wollte. Jedoch glaubte er schlauer zu sein als sein Bruder. Er ließ
die Rose im Königreich seines Vaters anfertigen, nachdem er die besten
und teuersten Edelsteine erworben hatte. Das Werk, das der Goldschmied
erbracht hatte, war wirklich sehr schön und wertvoll. Auch der erste
Sohn musste zugestehen, dass diese Rose seiner ebenbürtig war. In
der Hoffnung, dass vielleicht seine Rose vor den Augen der Prinzessin Gnade
finden würde, brach der zweite Sohn auf.
Nach
Wochen kehrte er zurück und berichtete, dass auch er keinen Erfolg
gehabt habe. Die Prinzessin konnte sich immer noch nicht entscheiden.
Der
dritte Sohn hoffte nun, dass er an der Reihe war, sein Glück zu versuchen.
Er hatte jetzt so viel von der Prinzessin gehört, dass er in heißer
Liebe zu ihr entbrannt war und sich nach ihr sehnte. Doch was für
eine Rose er ihr hätte mitbringen können, das wusste er nicht,
auch wenn er darüber schon Tage nachgedacht hatte.
Der
Vater lehnte aber seinen Wunsch, reisen zu dürfen, ab. Zwei Abweisungen
würden ihm reichen. Er wolle sich nicht gänzlich blamieren, begründete
er.
Der
dritte Sohn war sehr enttäuscht. Doch die Liebe zu der Königstochter
ließ ihn heimlich das Schloss verlassen. Ohne Geld, Gold und Edelsteine
musste er sich durch die Wachen schleichen, denn die hätten ihn, wenn
sie ihn zu fassen gekriegt hätten, sofort dem Vater zugeführt.
Traurig
zog er in Richtung des Nachbarkönigreiches, wo die geliebte Prinzessin
lebte. Von Tag zu Tag wurde er mehr und mehr entmutigt und lief seinen
Weg ohne umherzuschauen. Eigentlich könnte ich mir die Reise sparen,
dachte er nach einem weiteren Tag. Ich habe kein Geld, um eine Rose anfertigen
zu lassen, geschweige denn Gold und Edelsteine, außerdem, weiß
ich nicht einmal, ob die Prinzessin mich mag, wenn sie mich sieht. Betrübt
setzte er sich auf einen Stein und überlegte, ob er reumütig
zu seinem Vater zurückkehren solle.
Er
entschloss sich, zurückzukehren, richtete sich auf und sah vor sich
ein riesiges Feld mit wunderschönen Rosen in allen Farben. Er war
schier geblendet ob der Schönheit und so begeistert, dass er beschloss,
doch zur Prinzessin zu reisen und eine Rose zum Mitbringen auszuwählen.
Er sprang auf und hatte bald eine bezaubernde Farbe gefunden. Eine goldgelbe
Knospe. Er schnitt sie ab und marschierte los, ohne noch einmal anzuhalten.
Unterwegs
überfielen ihn Zweifel. Seine Brüder hatten von den Rosen aus
Gold und Edelsteinen erzählt, die sie geschenkt und die die anderen
Freier mitgebracht hatten. Konnte seine Rose da mithalten? „Aber ich liebe
die Prinzessin doch,“ flüsterte er heftig und inbrünstig zugleich.
„Und ich habe nur diese Rose und meine Liebe!“ und drückte die Rose,
die er vor sich her trug, an sein Herz. Während diese Vorganges wäre
er fast ins Stolpern geraten, beinahe wäre ihm auch die Rose aus den
Händen geglitten. Als er sich wieder aufrichtete und schaute, ob seine
Rose auch nicht beschädigt war, staunte er. In seinen Händen
trug er eine goldene Rosenknospe, wirklich eine Rose aus purem Gold, die
leuchtete, als wenn sie lichtdurchflutet wäre. Er konnte es nicht
glauben. Neue Hoffnung wuchs in ihm heran.
Am
Hofe des Königs musste er sich in die Reihe der Freier einordnen.
Wieder befielen ihn Zweifel. Er fand ja seine Rose sehr schön, auch
die anderen Edelleute und Königssöhne schienen etwas neidvoll
auf ihn und seine Gabe zu schauen. „Aber,“ dachte er, “wird meine Rose
schöner als die anderen sein, wird die Prinzessin mich auswählen,
meine Liebe erkennen und erwidern?“
Da
stand er schon vor ihr. Er verneigte sich, drückte die Rose noch einmal
an sein Herz, anvertraute ihr die Botschaft seiner großen Liebe und
übergab sie der Prinzessin. Mein Gott, dachte er, sie sieht so aus,
wie ich schon zu Hause von ihr geträumt habe. Die Prinzessin nahm
die goldne Rose in ihre Hand. Kaum hatte sie die Rose aus puren Gold berührt,
wurde diese noch leuchtender, sie begann zu wachsen, die Knospe öffnete
sich und erblühte zur vollen Schönheit, und ein berauschender
Duft verbreitete sich. Alle Geräusche im großen Saal verstummten,
alle schauten wie gebannt auf die goldene Rose, verwundert wagte keiner
zu atmen noch sich zu bewegen. Auf dem Gesicht der Prinzessin stand Erstaunen.
Langsam drückte sie die Blüte an ihre Brust. Das Leuchten der
Rose wurde ein wenig blasser, als wenn sie von der Liebe, die sie trug,
abgegeben hätte. Die Augen der Prinzessin bekamen einen verträumten
Ausdruck, ein verzaubertes Lächeln entstand auf ihrem Gesicht. In
die Augen des jungen Prinzen traten Tränen. Fragend schaute er in
ihr Gesicht. Hatte er sie gewonnen?
Die
Prinzessin winkte einen Diener herbei, gab ihm die Rose. Sie wandte sich
zum Prinzen, öffnete ihre Arme und sagte: „Du hast mir die schönste
Rose gebracht. Denn du hast mit ihr Liebe verschenkt. Deine Liebe ist mir
ins Herz gegangen. Ich öffne mich für dich wie diese Rose, die
du mir geschenkt hast.“ Selig schloss der Prinz die Augen und schon spürte
er die Lippen der Prinzessin.
Die Hochzeit wurde mit großem Prunk in beiden Reichen gefeiert.
Die goldene Rose erhielt in den königlichen Gemächern des glücklichen
Paares einen Ehrenplatz. Sie blühte jedes Jahr am Hochzeitstag
bis zu dessem Tode .
(Mit frdl. Erlaubnis des Verfassers)
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